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Altkalifornisches Reiten / Vaquero Horsemanship - Blog

FEINE HILFEN AUSGABE 32

Das Pferd in der „Gebrauchsreiterei“ - vom Partner zum Sportgerät

"Der Mensch hat jedes Pferd gleich zu achten, unabhängig von dessen Rasse, Alter und Geschlecht, sowie Einsatz in Zucht, Freizeit oder Sport.“

Die Nutzung des Pferdes und auch dessen Zucht hat sich durch die Zeit stark verändert. In einer Zeit, die von Maschinen und motorisierten Geräten geprägt ist, bzw. spätestens seit dem zweiten Weltkrieg ist der „Gebrauch“ des Pferdes als Arbeitspartner oder Transportmittel stark in den Hintergrund getreten und wird nur noch sporadisch praktiziert. In der heutigen Zeit werden Pferde primär entweder als Freizeitpartner oder leider auch als Sportgeräte eingesetzt. Durch die grosse Anzahl an Pferden und den leichten Transport über weite Strecken, der für relativ geringe Kosten sogar weltweit möglich ist, ist ihr materieller Wert, bis auf einige Ausnahmen, im allgemeinen stark gesunken. War es in früheren Zeiten eine logistische und auch finanzielle Meisterleistung, ganz abgesehen von der Leistung der Pferde, wenn z.B. spanische oder neapolitanische Pferde nach Dänemark gebracht wurden um die dortigen Stutenstämme zu veredeln, so ist dies heute ein recht einfaches Unterfangen, bei dem der Hengst nicht einmal transportiert werden muss, sondern lediglich sein Sperma auf den Postweg geht.

Im Altertum wurden Pferde in den verschiedensten Bereichen eingesetzt primär zum Zwecke des Transports und des Kampfes zu Pferde und bezüglich ihrer jeweiligen Eignung ausgesucht und ausgebildet. Der Wert eines gut ausgebildeten Kriegspferdes zum Beispiel war hoch, da die Ausbildung eine sehr lange Zeit benötigte und bemass sich nicht an der Zuchtbescheinigung, sondern an der Leistungsfähigkeit und dem jeweiligen Ausbildungsstand des Pferdes.

Mit der Erfindung der Schusswaffe wurde das Pferd im Krieg mehr und mehr zum Transportmittel degradiert, dessen Aufgabe es war, bewaffnete Einheiten von A nach B zu transportieren, weshalb auch die Ausbildung vereinheitlicht wurde und weit weniger diffizil war als in früheren Jahrhunderten. Das galt ebenso für die Schulung der Reiter.

Aus der Gebrauchsreiterei der Soldaten zu Pferde entwickelte sich die Arbeit der berittenen Hirten in den südlichen Ländern Europas und später in Mexiko und dem heutigen Kalifornien. Die California Vaqueros waren bekannt und gefürchtet für ihre Reitkünste und den Umgang mit ihren Arbeitsgeräten, der Garrocha und der Reata, welche sie sowohl in der Rinderarbeit, als auch im Kampf, beispielsweise im mexikanisch-amerikanischen Krieg einsetzten, in dem sie an der Seite der Soldaten kämpften.
Ein „gutes“ Pferd sicherte den Lebensunterhalt dieser Männer und wenngleich, auf Grund der spanischen Besiedelung Mexikos und Kaliforniens, natürlich häufig iberische Pferde geritten wurden, so war die Rasse und Zucht kein ausschlaggebendes Kriterium, sondern die Pferde wurden nach ihrer Rittigkeit beurteilt und waren das Aushängeschild ihres Ausbilders, welches er stolz präsentierte. Die Ausbildung eines Bridle Horses, eines Pferdes, das auf minimalste Hilfen auf blanker Kandare zu reiten war umfasste viele Jahre und der Vaquero sorgte dafür, dass es seinem Pferd gut ging, da dieses seine berufliche und gesellschaftliche Stellung manifestierte. Sicher hatte er einen anderen Bezug zu seinem Pferd als die Menschen der heutigen Zeit und mit Sicherheit mussten diese Pferde nach heutigen Maßstäben hart arbeiten, aber der Umgang mit ihnen war geprägt von Respekt und Wertschätzung. Das Pferd war ein Partner, der einem als treuer Begleiter täglich zur Seite stand. Der „Wert“ eines Pferdes bemass sich also nicht an den sportlichen Leistungen unter der Vorgabe eines menschlich definierten Ideals, welches die Gesundheit des Pferdes und die biomechanisch korrekte Arbeit nur wenig berücksichtigt wie in heutiger Zeit. Vielmehr wurde das Pferde, unabhängig seiner Rasse, danach bewertet, wie nutzbar es in der täglichen Arbeit war und welchen Vorteil es seinem Reiter hierdurch brachte. Dieser hatte ein grosses Interesse daran, es möglichst lange gesund zu erhalten um eine langfristige Nutzung sicher zu stellen.

Überforderung vs. Unterforderung

Heute bietet die grosse Zahl der verschiedenen Reitweisen und der Herangehensweise an das Pferd im Rahmen der Ausbildung, gerade im Freizeitbereich, Platz für die verschiedensten Ansätze. Viele Reiter haben dabei Angst, ihr Pferd zu überfordern oder ihm gesundheitlichen Schaden zuzufügen und man liest häufig von der Überforderung des Pferdes auf physischer und psychischer Ebene. Dieser Ansatz ist sicherlich richtig und mit Sicherheit werden auch viele Pferde überfordert– das Anreiten von immer jüngeren Pferden ist hierfür ein gutes Beispiel. Wurden in früheren Zeiten die Pferde häufig fünfjährig oder sogar noch später gestartet, so ist es mittlerweile leider Usus, sie dreijährig zu starten,, teilweise sogar noch früher. Bereits in jungen Jahren werden sie auf das Leistungsmaximum trainiert und tragen deshalb häufig gesundheitliche Schäden davon. Während ein Pferd früher sein Leistungsmaximum mit etwa fünfzehn Jahren erreichen sollte, muss es dieses heute mit neun oder teilweise sogar schon sechs bis acht Jahren erreichen, was nicht nur zu extremen physischen, sondern auch psychischen Belastungen und Verschleiss führt.

Allerdings sollten wir uns auch Gedanken zum Sachverhalt der Unterforderung von Pferden machen, die meiner Meinung nach ebenso präsent ist. Pferde sind hochkreative, bewegungsfreudige und sensible Tiere, die durch die Zucht für gewisse Einsatzgebiete in der Reiterei selektiert und „optimiert“ wurden. Auch eine ständige Unterforderung kann zu körperlichen und vor allem auch mentalen Schäden beim Pferd führen. So würden wohl nur die wenigsten auf die Idee kommen, sich einen Bordercollie zu kaufen und diesen mit 30 Minuten Auslauf am Tag in einer Hamburger Ein-Zimmer-Wohnung zu halten. Umgekehrt ist das bei Pferden aber Gang und Gäbe. Der ach so schöne und ausdrucksstarke Lusitanohengst aus der Veiga Linie in Sonderlackierung muss eine Box bewohnen und sich bitte dem eigenen Idealbild anpassen. Hierzu soll er sich bitte benehmen und wird die ersten zwei Jahre im Schritt an der Hand in der Halle gearbeitet, bis er so händelbar ist, dass ihn selbst kleine Kinder von A nach B führen könne, ohne dass er mit dem Ohr wackelt.

Dass dies bei einem Arbeitspferd, welches für den Stierkampf gezüchtet wurde, in vielen Fällen zu einer geistigen Verkrüppellung führt, liegt nahe und leider verlieren so viele dieser Pferde jeglichen Glanz. Das ist sehr schade. Der Reiter sollte vielmehr die Auswahl seines Pferdes dem eigenen Können und seinen Zielen anpassen, so dass beide in der angestrebten Beziehung glücklich werden können. Oder aber er sollte seine Ziele vom Pferd abhängig machen, welches bereits in seinem Besitz ist, wofür er natürlich eventuell das eigene Ego hinten anstellen muss.

Das eigene Ego - Ausdruck und Kreativität fördern

Antoine de Pluvinel sagte „Die Anmut des Pferdes ist wie der Duft einer Blüte, die, einmal verflogen, nie wiederkehrt!“, dieses Zitat beinhaltet für mich in einem einfachen Satz die Grundessenz jeder guten Reiterei. In einer Welt in der messbare Leistung und Selbstdarstellung immer mehr im Fokus stehen fällt es heute leider vielen Reitern schwer, das eigene Ego in den Hintergrund zu stellen und in das jeweilige Pferd hinein zu horchen, beziehungsweise ihm seinen Charakter zu lassen und diesen sogar noch zu festigen. Vielmehr geht es häufig um eine Art körperliche Ertüchtigung und das Erreichen der Kompetenz zur Bewältigung bestimmter Lektionen, die natürlich durchaus sinnvoll sein können, aber eben nicht zum Selbstzweck geritten werden sollten. Dabei darf das grösstmöglich Augenmerk nicht darauf gelegt werden, wie spektakulär sich das jeweilige Pferd bewegt, sondern, ob ihm die Arbeit mit seinem Ausbilder Freude macht und es den Sinn dahinter erkannt hat. Der „Wert“ eines Pferdes wird leider sehr häufig an seinen Turniererfolgen gemessen. Diese sind aber nur für den Menschen relevant– für das Pferd sind sie völlig wertlos.

Es liegt in der Natur des Menschen, nach Anerkennung zu suchen und sei diese noch so gering. Natürlich ist es nicht verwerflich Turniere zu besuchen und sich über ein buntes Stoffschleifchen zu freuen– meiner Meinung nach is es jedoch sehr schwer, dabei immer pro Pferd zu denken.

Auch Pferde suchen nach Anerkennung und zwar nach der Anerkennung ihres Ausbilders. Ehrliche und emotionale Freude und Lob sind daher der wohl wichtigste positive Verstärker in der Ausbildung und spornen Pferde zu Höchstleistungen an. Hierbei machen sie allerdings keinen Unterschied ob sie für eine Levade oder korrektes Angehen im Schritt gelobt werden. Pferde wollen gefallen und entwickeln, bei entsprechender Wertschätzung und wenn man ihnen diese Freiheit erlaubt, eine immense Kreativität und großen Stolz in der Arbeit mit dem Menschen. Einmal auf diesem Weg mit dem Pferd liegt es in der Verantwortung des Menschen, Einfälle des Pferdes in die richtigen Bahnen zu lenken, zu bestätigen- oder eben auch zu ignorieren, wenn sie nicht oder noch nicht gewünscht sind. Natürlich ist es ebenfalls möglich nach Schema F oder System XY zu verfahren und auch das Ergebnis einer solchen Ausbildung ist durchaus vorzeigbar. Denkt der Mensch aber undogmatisch und ist bereit sich auf das Pferd einzulassen und es als mitdenkenden und kreativen Partner zu akzeptieren, so ergeben sich ganz neue Möglichkeiten zur Zusammenarbeit mit einem Pferd, welches im Rahmen seiner Ausbildung nicht nur die Anmut behält, sondern sogar noch stolzer und graziler wird.

Hierbei ist es nicht relevant welches Papier das Pferd hat oder welcher Rasse oder Geschlecht es angehört, sondern ob der Mensch den Zugang zum jeweiligen Pferd findet, denn dann kann jedes Pferd in Anmut und Stolz erstrahlen, ganz egal welche Lektionen es ausführen kann oder nicht.

Das Pferd im modernen Sport

Im modernen Sport hat sich über die letzten Jahrzehnte, ähnlich wie in der Gesellschaft allgemein, ein Trend entwickelt, den man wohl mit „Höher, Schneller und Weiter“ betiteln kann. Unter teils völliger Nichtberücksichtigung gesunder Bewegungsmuster und realer Ausbildung des Pferdes werden mit teils tierschutzrelevanten Trainingspraktiken in kurzer Zeit Pferde ausgebildet und gezeigt, die sich möglichst spektakulär bewegen sollen und die gute Reiterei nach klassischem Vorbild ad absurdum führen. Leider gilt das für alle turnierorientierten Reitweisen.

Pferde die nicht der entsprechend gewünschten Rasse angehören oder die falsche Farbe oder Grösse haben, genießen häufig von vornherein ein geringeres Ansehen als Artgenossen, die dem gerade aktuellen menschlichen Schönheits- und Bewegungsideal entsprechen. Völlig abseits von dem Gedanken der praktischen Nutzung der Pferde, auf dem ursprünglich der Turniergedanke basiert, kreiert der Mensch eine Art Zirkus zur Beweihräucherung seines eigenen Egos– leider häufig zu Lasten der Gesundheit der jeweiligen Pferde. Ein PRE im alten Typ auf einem Dressurturnier oder ein Tinker auf einem Westernturnier sind eher die Ausnahme, da sie einfach nicht der Norm entsprechen, die vom Menschen festgesetzt wurde. Leider widerspricht diese Tatsache deutlich dem von der deutschen Reiterlichen Vereinigung verfassten ethischen Grundsatz: „Der Mensch hat jedes Pferd gleich zu achten, unabhängig von dessen Rasse, Alter und Geschlecht, sowie Einsatz in Zucht, Freizeit oder Sport“, welcher in der realen Welt wohl eher Schein als Sein ist.

Es ist also an jedem von uns, sich regelmässig selbst zu reflektieren, den eigenen Ehrgeiz zu zügeln und diesen wundervollen Lebewesen mit Respekt, Wertschätzung und der Liebe zu begegnen, die sie verdienen, ganz unabhängig von ihrem Geschlecht, der Größe, Farbe Rasse oder anderen Merkmalen, denn jedes Pferd oder Pony ist etwas ganz besonderes und kann über sich hinaus wachsen, wenn der Mensch die richtigen Fragen stellt.

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"I met Alex and Nina back in 2004. They also participated in one of my courses in Mexico. There I noticed their passion for horsemanship and their great respect and feel for horses and humans. Since then our paths crossed many times; it is always a pleasure to meet them again. Both Alex and Nina are on a constant look out to keep learning. Nina visited us in Texas in the fall of 2012. Their knowledge is profound and they also enjoy to share it."

DVM. Alfonso Aguilar

"I would like to take a minute to recommend Alex Zell as a horseman in Germany who has dedicated himself to studying the horsemanship traditions of old California. I have worked with Alex and his wife Nina for several years now and they are both accomplished riders who keep the health and welfare of the horses foremost in their train program. I have not only had Alex as a student but have gotten to watch him teach and have been very pleased with how he explains things to students. He is also continually studying and learning and then passing that information on to others. Alex is one of the very few teachers in Europe who really understand not only the training philosophy of California horsemanship but also the culture that was so critical to the development of the California bridle horse."

Jeff Sanders

Danke euch beiden. Alex ich habe es auch gerade Jeff gesagt, dadurch das wir uns nicht abgesprochen haben und jeder so viel gebündeltes Wissen hervorgebracht hat, hat sich mein Horizont wieder extrem erweitert! Danke Danke Danke.

Wolfgang Krischke, Hofreitmeister der Fürstlichen Hofreitschule, auf facebook nach dem Seminar in Bückeburg

Für Nina & Alex
Mit Dank für die Anweisungen der Bosalanwendung.

Bent Branderup - Widmung in seinem Buch, welches er uns nach unserem Besuch geschenkt hat

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